Warum Kommunikation im Regelfall misslingt

Man kann nicht nicht kommunizieren. Das ist bekannt. Aber wie kommunizieren wir denn richtig?
Das in der Theorie simple, in der Praxis oft schwierige Kommunikationsquadrat nach Friedemann Schulz von Thun erläutert, was da passiert. Und es hilft, seine Antennen achtsamer ausgefahren zu halten.

Erst neulich wieder in einem Workshop: eine Frage steht im Raum, vier Verantwortungsträger schweigen sich aus.
Minuten der Stille vergehen.
Derweil greife ich zu Moderationskarten und übersetze, was möglicherweise kommuniziert werden soll. Damit wird nicht nur einmal mehr deutlich, dass wir nicht nicht kommunizieren können, sondern immer etwas ausdrücken - nur was ankommt, ist erst einmal allein Sache des Empfängers.

In einem Coaching berichtet eine Führungskraft von Problemen mit seiner Chefin. Die Beziehung scheint vergiftet und getragen von Misstrauen. Beispielhaft nennt er eine Entscheidung am Morgen. Ich lege die vier Seiten mit entsprechenden Interpretationsfragen aus:

  • Was sind die nüchternen, wertfreien Fakten?
  • Was sagt die Chefin über sich, ihre Einstellung, Gefühle, ihren Standpunkt?
  • Was sagt sie über ihren Gesprächspartner? Für wen oder was hält sie ihn?
  • Wozu fordert sie auf?

Im ersten Moment ist mein Kunde irritiert, dass ihm nur wenige Interpretationen einfallen. Sie zeigen alle in eine einzige emotionale Richtung: es herrscht ein Teufelskreis aus abwertenden gegenseitigen Botschaften.
Im Kommunikationsmodell der Transaktionsanalyse kommunizieren hier permanent Eltern-Ich und Kind-Ich miteinander. Die Erkenntnis über diesen Teufelskreis und die Sensibilisierung für die eigene Verantwortung der Interpretation erleichtern meinem Kunden, eigene Botschaften kritischer zu hinterfragen und wieder offener auf seine Chefin zuzugehen.
Einige Wochen später hat sich die Beziehung merklich entspannt, die gegenseitigen Spitzen gehören der Vergangenheit an.

Schwierigkeiten bereitet in der sauberen Trennung auch Profis oftmals die Trennung von Selbstkundgabe- und Beziehungsebene. Im Grunde entsteht auf der Ecke eine 5. Ebene, nämlich die Interaktionsebene, das Wir.

Im Alltag bereiten uns all die Fassadentechniken in der Kommunikation zusätzliche Schwierigkeiten. Da wird lieber von man oder wir statt von ichgesprochen.
Da stellt man lieber eine Frage als eine Aussage zu treffen. Da werden eher Suggestivfragen platziert als Standpunkte vertreten oder anderen Attribute angehängt statt die eigene Befindlichkeit sichtbar werden zu lassen.

Unsere Intuition ist zugleich sehr darauf trainiert, zumindest die Kongruenz von Botschaften wahrzunehmen. Daher erleben wir in der Körpersprache überaus dressierte Menschen wahlweise als Bedrohung oder fragwürdig.
Da wir Intonation und Körpersprache in der Kommunikation benötigen, erfordern anonymen Wege wie z. B. Mails eine Extraportion Gehirnenergie zum Kodieren und Dekodieren von Botschaften. Wenn es um mehr als Informationen geht (und das ist in den meisten Situationen der Fall), sollten wir den persönlichen Weg vorziehen.

Kommunikation ist i. ü. nicht nur, was wir sagen oder schreiben, sondern unser ganzes Verhalten wird als Kommunikationssignal wahrgenommen. Daher ist es gerade für Führungskräfte Gift, etwas anderes zu tun als man selbst gesagt hat.
Denn Verhalten nehmen wir für die barere Münze und leiten daraus ab, was denn hier eigentlich die Regel / Aufforderung sein soll. Wer also Veränderung kommunizieren will, geht am besten mit gutem Beispiel voran.

Zum Üben kann die Skizze oben im Alltag genutzt werden, um entweder sich selbst zu fragen, was man eigentlich sagen will oder zu hinterfragen, was man verstanden hat.
Sich im Dialog lieber einmal mehr als zu wenig gegenseitig auf Verstehen zu hinterfragen, folgt der Grundregel, dass wir uns wahrscheinlicher missverstehen als dass wir uns richtig verstehen.
Für Profis ist das ein Teil des Aktiven Zuhörens.