Konfliktklärung hält Lösungslosigkeit aus

Wie schön wäre es, wenn alles wieder gut wäre. Wenn sich die Streitparteien endlich geeinigt haben und wieder konstruktives Miteinander funktioniert. Mediation soll doch das bewirken: dass es eine Lösung gibt.
Das ist nur manchmal eine Utopie oder ein Lippenbekenntnis.

Konflikte bereiten niemandem wirklich Freude. Dennoch blühen und gedeihen sie zwischen Menschen immer wieder reichlich. Und selbst wenn es einem selbst schadet, manch einer investiert lieber in Verschärfung als in Klärung.

Professionelle Konfliktklärung begegnet häufig dem Wunsch, dass mit externer Hilfe nun alles wieder heile wird. Dass endlich eine Lösung erscheint, ein Kompromiss gefunden wird, das ganze Theater ein Ende findet.
Konfliktklärer müssen aber Lösungslosigkeit aushalten können. Zwei Praxisbeispiele mögen das illustrieren.

Michael F. ist Abteilungsleiter einer Versicherung; der von ihm geführte Teamleiter Richard K. hat selbst und mit seinem Team immer wieder große Schwierigkeiten mit einer externen Dienstleisterin, Frau H.
Sie hält sich kaum an Absprachen, versucht ihre Interessen durchzusetzen, kritisiert die Arbeit der Sachbearbeiter im Versicherungsteam. Der Konflikt schwelt schon länger und wird zunehmend unerträglicher, da kaum noch jemand mit Frau H. zusammenarbeiten will. Vertraglich ist man aber noch zwei Jahre aneinander gebunden.
Michael F. hat selbst bereits zwei Klärungsgespräche mit Frau H. geführt. Beide erfolglos.
Nun setzt er auf externe Moderation.
Bereits zu Beginn macht er deutlich, dass er an einem guten Kompromiss interessiert ist, aber es auch kein Tabu wäre, die Zusammenarbeit zu beenden und die dafür erforderlichen Schritte durchzuboxen.
Es ist ein für alle Seiten anstrengender Klärungstag, bei dem es nach und nach gelingt, die widerstrebenden Interessen und Bedürfnisse sichtbar zu machen, die tatsächlichen Reibungspunkte und Erwartungen in den Raum zu holen.
Frau H. beginnt nur immer wieder zu versachlichen, Rechtsprinzipien heranzuziehen, Emotionen sachlich zu negieren. Nach etwa 4 Stunden versuche ich mit einer Aufstellung und gemeinsamer Arbeit darin, den gordischen Knoten zu durchschlagen. Der Teamleiter Richard K. bewegt sich am meisten, bietet Zugeständnisse, reflektiert sich selbst, öffnet sich.
Und bekommt nichts dafür.
Frau H. entzieht sich mit Sachargumenten jeder Entwicklungs- und Reflexionschance. Es wird für alle im Raum sichtbar, dass hier nichts geht.

Das fasst Herr F. am Ende auch so zusammen. Diese Investition in mögliches Gelingen sei ihm noch wichtig gewesen. Sie sei ein Zeichen des Wollens. Frau H. wolle dies offensichtlich nicht honorieren, das sei nunmehr das Ende der Zusammenarbeit. Aber mit Klarheit für alle Seiten, wie diese Entscheidung entstanden ist.

Paul M. und Dirk L. sind in einem Grundstücksstreit verzettelt. Nichts geht mehr. Beide sind impulsive erfolgreiche Unternehmer, die ihre Verhandlungshärte aus dem Geschäftsleben in ihre ehemalige Freundschaftsbeziehung übertragen haben.
Die Liste der Vorwürfe ist lang, beide bekommen ihre Interessen aber nicht gegen den anderen durchgesetzt.
Nun sitzen sie - nach eigenem Bekunden freiwillig - in der Konfliktklärung. Es geht besonnen los und doch bahnen sich bald Vorwürfe, gegenseitige Unterbrechungen und Wehklagen über den jeweils anderen ihren Weg. Der Weg zur Lösung wird mit jeder Minuten länger.

Daher unterbreche ich irgendwann die hitzige Diskussion, die sich kaum mehr moderieren lässt, mit einem Feedback. Ich sehe hier keine Ansatzmöglichkeiten für mich, denn das erlebte Verhalten lässt bei mir entgegen des ausgesprochenen Lösungswillens eher das Bild entstehen, dass die beiden sich eingegraben haben und jeder Waffenstillstand als Niederlage erlebt würde. Ich hätte echte Zweifel, ob sie beide wirklich klären wollen oder sich das vielleicht nur einreden oder wünschen.

Mehrere Minuten herrscht betretenes Schweigen.
Irgendwann steht Paul M. auf. „Dann lassen wir das hier besser.“ Worauf Dirk L. antwortet, dass man vielleicht um die Ecke noch einmal bei einem gemeinsamen Kaffee schaut, was diese Rückmeldung denn nun für sie bedeutet.
Zwei Wochen später meldet sich Herr M. telefonisch, um sich zu bedanken.
„Ihre Ansage war ein Augenöffner. Danach haben wir uns in die Augen geschaut und geredet. Es hätte ja keine Alternative gegeben. Wir werden zwar nicht mehr beste Freunde, aber das Streitthema dürften wir bald vom Tisch haben. Danke für die direkte Ehrlichkeit.“