Konflikte klären - oder verlagern?

Nicht immer ist der Impuls, Beteiligte in eine Konfliktklärung zu schicken, die beste Idee. Worüber Sie als Auftraggeber nachdenken sollten.

Vor einigen Tagen sprach ich am Telefon mit einer potentiellen Auftraggeberin für eine Konfliktklärung. Ihr ehemaliger Vertriebsleiter, heute Qualitätsbeauftragter, und die neue Vertriebsleiterin hätten schon länger Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit und diese sollten nun ausgeräumt werden. Hierzu höre ich einige bildhafte Beispiele aus dem Alltag.

Eigentlich scheint der Fall klar. Beide an einen Tisch, Aussprache moderieren, Lösungen entwickeln. Emotional schwierig genug, aber professionell gut leistbar.

Wedelt hier vielleicht mancher Berater schon mit dem Vertrag und Kalender für den Klärungstermin, erlaube ich mir noch weitere Nachfragen. Je weiter dies führt, desto mehr erfahre ich aus dem systemischen Kontext. Immer deutlicher wird, dass die neue Vertriebsleitung quasi eine Stellvertreterfunktion im Konflikt einnimmt.
Die Frustrationen der vergangenen Jahre, die ungeklärten Konflikte mit der Geschäftsleitung, Appelle an Verhaltensänderung ohne zugehörige Konsequenzen, all dies hat offenbar dazu geführt, dass der frühere Vertriebsleiter ein bestimmtes Konfliktmuster eingeübt hat. Und mit wechselnden Partnern im Unternehmen auslebt.

Und dabei schaut Führung, hier Geschäftsleitung, zu.
Oder kommt zum Impuls, das akute Problem an einen externen Dienstleister zu delegieren.

Ich lehne ab. Verdeutliche vielmehr, dass eine Konfliktbeteiligte hier eher zu schützen wäre und nach meinem Eindruck eher am Führungsverhalten der potentiellen Auftraggeberin gearbeitet werden sollte.
Das ist zwar weniger förderlich für das eigene Auftragsbuch, aber sorgt dafür, dass das eigentliche Problem angegangen wird. Noch im Telefonat entwickelt die Anruferin eine erste Strategie zum Umgang mit dem worst case (Qualitätsbeauftragter kündigt und nimmt sein Know-How mit) und eine Gesprächsidee.

Das ist nicht ungewöhnlich. Führungskärfte sehen Probleme im Team und gehen sie an. Das ist ausgesprochen sinnvoll und lobenswert.
Dabei übersehen sie mitunter den eigenen Anteil an der Konfliktentstehung und -entwicklung. Teamentwicklung und Konfliktklärung heißt mithin also auch immer Arbeit mit der Führungskraft - entweder vor einer solchen Maßnahme, spätestens aber danach.

Insofern lohnt sich im Vorfeld durchaus der Blick auf Fragestellungen wie

  • Welchen Anteil hat Führungsverhalten am Konflikt?
  • Was ist bereits getan worden und mit welchem Erfolg?
  • Welche Befürchtungen gibt es und woran hindern sie?
  • Welche Tabus werden nicht angepackt?
  • Wer ist eigentlich Konfliktpartei?