Emotionen und Betriebswirtschaft

Unternehmen finanzieren vielfältige Effizienzmaßnahmen und Beratungsdienstleistungen, um die Produktivität zu steigern oder Reibungsverluste zu reduzieren oder Prozesse zu optimieren.

Deutlich schwieriger zu bemessen sind Kosten, die durch Konflikte und Ungereimtheiten aller Art entstehen, denn diese entwickeln oftmals nicht nur direkte, sondern auch indirekte Folgekosten.

Es gibt durchaus eine Reihe von Studien, die sich mit den messbaren Auswirkungen weicher Störquellen beschäftigen. Diesen haben wir nachfolgendes Zahlenmaterial entnommen.
Zu nennen sind v. a. die KPMG Konfliktkostenstudie (in Zusammenarbeit mit der Berner Fachhochschule) sowie die jährliche Gallup-Engagement Erhebung.
Nachdenklich sollten folgende Zahlen stimmen:

  • 10 bis 15 % der Arbeitszeit in jedem Unternehmen werden für Konfliktbewältigung verbraucht.
  • 30 bis 50 % der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht.
  • Ca. 25 % des Umsatzes hängen von der Kommunikationsqualität ab.
  • Im Dienstleistungs- wie auch Produktionsbereich sind Produktivitätssteigerungen aus vertrauensbildenden Maßnahmen in Höhe von 25-50% die zu beobachtende Regel.

Es kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass 20 – 25 % der Gesamtkosten in Unternehmen Konfliktkosten sind. Hierbei werden Konflikte zunächst einmal definiert als unklare missverständliche Interaktion sowie Kommunikation, die sich nicht zu 100 % auf den eigentlichen Arbeitsinhalt konzentriert.

Hier liegt ein außerordentliches Verbesserungspotenzial für Unternehmen, wenngleich der Erfolg oftmals entweder nicht direkt oder erst mit Verzögerung zu messen ist.

Wodurch entstehen eigentlich direkte oder indirekte Kosten durch Konflikte? Diese Kosten äußern sich an vielfältigen Stellen:

Mitarbeiterfluktuation

  • Rekrutierung
  • Coachingmassnahmen
  • Personalvermittler- oder Beratereinsatz
  • Effizienzverlust durch Einarbeitung
  • Einarbeitungskosten
  • Know-How-Verlust
  • Kosten durch Besetzung mit weniger qualifiziertem Personal
  • Organisationskosten für die Abstimmung zwischen den betreffenden Abteilungen, Betriebsrat und Personalbüro
  • Outsourcing
  • Reorganisation *Konventionalstrafen wegen Lieferverzug oder Qualitätsmängel

Grundsätzlich gilt, dass die Kosten einer Wiederbesetzung etwa doppelt so hoch sind wie die reinen Gehalts- und Nebenkosten.

Krankheit

  • Ausfallzeiten
  • Abfindungen
  • Rechtsberatungen
  • Zeit für Personalgespräche und Personalmaßnahmen
  • zusätzlich gegebenenfalls Kosten wie o. g. bei der Fluktuation

kontraproduktives Verhalten

  • vermeidbare Diskussionen
  • übermäßige Verweildauer bei Außenterminen
  • Ablenkung
  • Behördendenken statt Verantwortungsübernahme, Dienst nach Vorschrift
  • betriebsschädigendes Verhalten

Dagegen schafft übrigens hohe emotionale Bindung an das Unternehmen besseren Service und mehr Kundenorientierung, da bei 72% der stark Verbundenen die Erfüllung von Kundenwünschen und -bedürfnissen das tägliche Handeln bestimmt.

gescheiterte oder verschleppte Projekte

  • interner Mehraufwand
  • Lieferverzögerungen und Konventionalstrafen
  • zusätzliche Beschäftigung von Subunternehmen

Aus der eigenen Praxis exemplarisch eine Hausnummer eines Auftraggebers: „Wir haben insgesamt so viele Entwicklungsstunden versenkt, dass eine Gesamtsumme von 2 Millionen Euro zusammenkommt - für drei komplett an der Kommunikation gescheiterte Projekte.“

Silodenken oder Behördenmentalität

Das Reibungsfeld zwischen Entwicklung und Produktion oder Vertrieb und Leistungserbringung ist oftmals größter Posten in der Konfliktkostenauflistung. Silodenken und/oder Behördenmentalität kostet jedes Unternehmen in mehrfacher Hinsicht:

  • Kundenfluktuationen und entgangene Aufträge
  • Überregulierung der Organisationen, dazu insbesondere Mehraufwand zur Kommunikation und Steuerung und nachrangige Konflikte zwischen Standorten sowie für Einführung und Nachbesserung von Richtlinien
  • Schwer messbar sind die Kosten, die durch zurückgesetzte Proaktivität und Verantwortungsübernahme entstehen.
  • großzügige oder kontraproduktive Handhabung mit Anreiz und Prämiensystem sowie die Entwicklung einer Eigendynamik dieser Systeme
  • Kulturelle Schäden entstehen hinsichtlich der Innovationskraft, Kreativität oder in der Meetingkultur einer Organisation.

Anhand der bisherigen Studien, die sich mit sowohl kleinen, mittelständischen als auch mit Großunternehmen beschäftigt hat, wird sichtbar, dass es in den Dimensionen Person, Team als auch Organisationen zum Teil schwer quantifizierbare als auch de facto messbare Folgekosten gibt, wenn an zentralen Reibungsverlusten und Konflikten nicht gearbeitet wird.
In den Bereichen, in denen sichtbar hohe Kosten entstehen (und dies können auch ausbleibende Ergebnisse sein), lohnt sich es stets, diese Themen unterhalb der Wasseroberfläche anzupacken und damit bearbeitbar zu machen.
Geht es Menschen in Unternehmen emotional gut, sind sie allen bisherigen Studien zufolge engagierter, kreativer, produktiver, loyaler, lernen schneller und treffen bessere Entscheidungen.
Das kann im Wettbewerb oder in der Entwicklung von Zukunftsfähigkeit ein erheblicher Vorsprung sein.

Echte Effizienzsteigerung

Es sind die also die weichen Faktoren, die hartes Geld kosten, so dass es sich lohnt, zwischenmenschliche Themen in Unternehmen anzupacken.

Exemplarisch habe ich mal einen Kunden gefragt, was ihn nach eigener Einschätzung der seit zwei Jahren schwelende Konflikt zwischen zwei Abteilungsleitern gekostet hat. „100.000 € reichen da noch lange nicht aus.“ So seine Antwort.

Man könnte ja auch anders rechnen. Nehmen wir mal an, wegen zwischenmenschlicher Störungen/Unklarheiten richtet sich 20% der Aufmerksamkeit einer Abteilung täglich weg von den inhaltlichen Zielen. Nun verdient diese Abteilung monatlich 24.000 €. Macht eine Investition in den Konflikt von rund 5000 € monatlich. Die Zahl entsteht auch, wenn eine Führungskraft unzureichend für Klarheit, Zielorientierung und motivierendes Umfeld sorgt.

Die eigentlichen Verlustzahlen liegen um ein Vielfaches höher:

  • Meetings arten aus, weil sich alle trotz inhaltlicher Übereinstimmung beharken müssen
  • Konflikte werden gehegt und gepflegt, weil die Angst vor Klärung größer ist als das Leiden
  • Informationen fließen nicht, weil der Adressat unsympathisch ist
  • Email-Ping-Pong mit Eskalationsschleife ersetzt das persönliche Gespräch
  • Engagement lässt nach, weil die tägliche Leistung kaum Wertschätzung erfährt

Die Liste der betrieblichen Grausamkeiten lässt sich sicher beliebig fortsetzen. In jedem Fall sorgen sie nicht nur für schlechte Stimmung, sondern sie kosten echtes Geld. Wendet man das Eisbergmodell an, dann wird deutlich, wie viel Demotivation, Konfikte, Ängste, Störungen, Machtkämpfe, Rollen- und Zielunklarheiten ein Unternehmen wirklich kosten.

Es sind die weichen Faktoren, die hartes Geld kosten. Insofern ist es nicht allein ein Gebot der Rücksicht auf die Menschen eines Unternehmens, derartige Themen anzugehen, es ist sogleich eine wirtschaftliche Notwendigkeit.