Wer gehört wann ins Coaching?

Wenn Organisation wächst, sich verändert oder neu ausrichtet, ist Coaching auch als Dienstleistung und nicht allein als Grundhaltung ein elementares Instrument, um Verantwortungsträger zu begleiten.

Üblicherweise kommen Menschen zunächst einmal aus eigenem Antrieb aufgrund eines erlebten Krisenzustandes in einen Coachingprozess. Der Grundsatz dabei ist, mit Coaching als Form Hilfe zur Selbsthilfe zu ermöglichen.

Dieser Grundsatz bleibt zwar erhalten, doch ändert sich bei Coaching als von einer Organisation beauftragten Dienstleistung grundsätzlich der Fokus.
Thematisch-inhaltlich hat nunmehr der Gesprächspartner nicht das volle freie Wahlrecht, denn es geht um Kompetenzen, Verhaltens-, Entscheidungs- und Interaktionsmuster, Reifegrade sowie Rollenanforderungen, um der Verantwortung (oftmals im Veränderungsprozess) im System gerecht werden zu können.

Damit ändert sich auch die Rolle des Coaches, der seine eigentliche Kundenbeziehung klar definieren muss. Kunde ist nämlich in erster Linie die beauftragende Organisation.
Und das hat Einfluss auf Rahmenbedingungen, Zielsetzungen, Coachingbeteiligte usw. Und damit verändert sich die eigentliche Dienstleistung von der rein personenorientierten hin zu einer organisationsorientiertenProzessgestaltung bis hin zu einer coachingorientierten Organisationsentwicklung.

Anlässe oder Projekte in Organisationsentwicklung können ganz unterschiedlich sein und demnach ergeben sich auch ganz unterschiedliche Konstellationen für den Coachingprozess.
Nachfolgend eine beispielhafte Erläuterung, wer wann wie ins Coaching gehört:

Fusion oder Post Merger Integration


Zwei kleinere Elefanten zusammen zu tackern, ergibt keinen großen Elefanten. Der tatsächliche Veränderungsaufwand in derartigen Prozessen wird gern reduziert auf anzupassende Strukturen, um die allseits befürchteten Synergien zu schaffen.
Wenn gelb und blau zusammenkommen, kann daraus nur grün entstehen, wenn sich von Beginn an der Kopf der neuen Organisation seiner Verantwortung bewusst ist, dass hier zwei Organisationsgeschichten zusammenkommen und zudem eine neue entstehen soll.

Wenn Kommunikation und Kooperation gelingen und Klarheit in den neuen Rollen / Verantwortlichkeiten entstehen soll, geht dies nur top down beginnend mit Vorstand/Geschäftsleitung bis hinunter in die Teamebene.
 Grundsätzlich sollten jedoch mit der Fusion die Begleitung der Einzelakteure auf oberster Ebene sowie die Entwicklung der horizontalen Teams der ersten beiden Führungsebenen einhergehen.

Reorganisation


Veränderte Strukturen oder Prozesse beinhalten zwangsläufig veränderte Verantwortlichkeiten oder auch Einstellungen.
Damit Reorganisationen schnell verankert sind, kommt den Führungskräften eine besondere Bedeutung zu: Change gestalten, Widerständen begegnen, Konsequenz vorleben und fordern usw.
Hier kann Coaching sowohl als Einzelmaßnahme als auch in Gruppenform (Führungswerkstatt, kollegiale Beratung) wirksam sein.

Bereichs- oder Teamfusion


Hier gelten die gleichen Ideen wie zuvor, allerdings findet die Beteiligung dann auf der jeweils verantwortlichen Hierarchieebene statt.

Einführung neuer Führungsleitlinien


Das eigene Führungsverhalten zu reflektieren und neue Grundsätze intuitiv zu verinnerlichen ist das zentrale Coachingziel.
Wie bei der Reorganisation kann hier im Einzelsetting wie auch in Führungswerkstätten im Dialog gearbeitet werden.
Elementarregel ist jedoch, dass die Veränderung ganz oben beginnt und ab Vorstand/GF die Leuchtturmfunktion zu beachten ist. Was die Ebene über mir nicht vormacht, werde ich als noch so reflektierte Führungskraft auch selbst nicht tun.

Visions-/Strategieentwicklung und -umsetzung


Es gibt Organisationen, die sind analog zu Familienstrukturen organisiert. Da ist Strategiearbeit Chefsache.
Soll sie von Beginn an tragfähig und realitätsbezogen sein, findet das Wissen der Basis darin Platz (auch wenn am Ende das Topmanagement die Entscheidungsverantwortung trägt). Insofern sind in der Entwicklung und Umsetzung möglichst alle Führungskräfte zu beteiligen.
In Einzelprozessen können ebenfalls alle Ebenen unterstützt werden, geht es doch im Kern um die Qualität der vertikalen wie horizontalen Interaktion in diesem Prozess, um die einheitliche Kommunikation und um den ganz persönlichen Abgleich zwischen Vision der Organisation und der emotionalen Verbindung zur eigenen Vision.

Coaching kann hier als Einzel- wie auch Teammaßnahme in unterschiedlichen Settings große Unterstützung bieten.

Kundenorientierung / Innovationskultur / Eigenverantwortlichkeit entwickeln


Die Liste der genannten Kulturthemen lässt sich noch verlängern, beispielsweise um die Erhöhung des Qualitätsbewusstseins. Hier handelt es sich um einzelne Aspekte der bisherigen Unternehmenskultur.
Es gibt jeweils mentale Modelle, die zum jetzigen Zustand geführt haben.
Die zu reflektieren und zu verändern ist klassische Coachingarbeit und kann v. a. mit den verantwortlichen Bereichen wie Vertrieb, Produktion, Entwicklung, QM usw. angegangen werden. Dabei kommt den Führungskräften mal wieder besondere Verantwortung zu und sie sind die Adressaten der Dienstleistung.

Teamaufbau/-start


Ob ein Team seiner Verantwortung für die Gesamtorganisation gerecht wird und alle Mitglieder ihren besten Beitrag leisten (können), ist nicht per Order Mufti zu verordnen.
Für Ziel- und Rollenklarheit sorgen hier coachingbasierte Dialogprozesse sowohl mit der Teamleitung als auch mit dem eigentlichen Team selbst. Für die Führungskraft ist dies zugleich die Hilfe, nicht nur den sachlichen Zielsetzungen gerecht zu werden, sondern v. a. die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen zielorientiert zu gestalten.

Wechsel in neue Führungsposition


Klarheit über die neue Rolle und den Umgang mit den unterschiedlichen Erwartungen ist ein zentrales Ziel in der Begleitung dieser Wachstumsschritte.
Bewährt hat sich daher die Beteiligung des unmittelbaren Systems in den Coachingprozess: neue Führungskraft mit zugehörigem Vorgesetzen als Führungsteam, die neue Führungskraft selbst sowie das zukünftig geführte Team mit der neuen Führungskraft.

Die wenigsten Verantwortungsträger in Organisationen sind Experten für OE oder PE.
Sie betrachten oben skizzierte Veränderungen oder Wachstumsschritte aus ihrer jeweiligen Brille. Diese stellt zumeist eher auf der Oberflächenebene scharf und verführt dazu, die mitunter tiefgreifenden Fragestellungen, die Veränderungen mit sich bringen, zu übersehen.
Daher braucht es innerhalb einer Organisation Experten für die Gestaltung solcher Veränderungsprozesse, die für externe Dienstleister wichtige Partner sind.
PE/HR übernimmt nicht nur die interne Organisation und Koordination, sondern weiß um die systemimmanenten Wirkfelder, Entscheidungsmuster, Hausmächte usw. Die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit zu initiieren, liegt im Kern ihres Auftrags, wird diesen Funktionen zugleich mitunter nicht zugebilligt.
Hier kann Coaching auch HR Business Partnern zur Entwicklung eigener Rollenklärung und -entwicklung wertvolle Klärungsarbeit bedeuten.