Welche Rolle spielt der Mensch?

In ihrem Gastartikel zur Blogparade #EmotionSchafftMehrwert plädiert Annette Blumenschein für eine wert- und menschenorientierte Unternehmensführung.

Menschliches Miteinander, Vertrauen, Zugewandtheit und echtes Interesse am Menschen in der Organisation sind wertvoll – in ihnen steckt Wert.
Teams sind nur dann in hohem Maße leistungsfähig, auch unter schwierigen Bedingungen, wenn aus der Gruppe von Menschen, ein Team entstanden ist, in dem sich jeder kennt, schätzt und vertraut – und in dem jeder so sein darf, wie er wirklich ist.
Beziehungsqualität erzeugt Bindungsqualität und diese führt auch in arbeitsteiligen Zweckgemeinschaften wie einer Organisation zu besseren Ergebnissen und schlussendlich zum Erfolg.

Anders herum funktioniert es nicht, man kann Teams nicht vom Erfolg her denken, denn Erfolg ist das Resultat eines guten Teamgeistes, diesen zu entfalten, ist die Aufgabenstellung.

Erstaunlich und zuweilen auch frustrierend, mindestens jedoch befremdlich, dass solch aus meiner Sicht eher auf der Hand liegende Erkenntnisse in unserer „höher, weiter, schneller“-Leistungsgesellschaft erst wieder neu entdeckt werden, die dahinter liegenden Grundwerte mühsam freigelegt werden müssen.
Erfreulich hingegen, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg zu einer neuen Organisationskultur machen, die den Menschen mit bedenkt und mit berücksichtigt und nicht vor lauter Technologie ausklammert.
Ein Abschied von der Top-down-Kultur ist absehbar, da sind sich zahlreiche Experten für Führung und Organisationsentwicklung einig. Dennoch: obwohl wir immer mehr werden, obwohl die nun ins Berufsleben startende Generation andere Erwartungen und Anforderungen an ihre Arbeitgeber stellt, andere Wünsche und Ziele mit dem Lebensbereich „Arbeitswelt“ verbindet, es gibt offenbar noch viel zu tun:

Angeblich steht der Mensch ja immer im Mittelpunkt, so kann man es in unzähligen Leitbilder lesen.
Die erlebte Realität stellt sich für viele leider ganz anders dar:

In den letzten beiden Jahren bin ich in Beratungs- und Trainingssituationen immer wieder damit konfrontiert worden, dass Menschen ihre Arbeit als nicht befriedigend, nicht sinnstiftend und somit auch nicht als erfüllend oder wertvoll erlebten. Schnell entsteht ein Entfremdungs- und Unzufriedenheitsgefühl, ein Gefühl, nicht wirklich gebraucht und gewürdigt zu werden.
Bedenkt man, wie viel Zeit der Mensch pro Tag mit Erwerbsarbeit verbringt, so ist das eine aus meiner Sicht alarmierende Tendenz. Freudlosigkeit, Über-/ oder Unterforderung, Erschöpfung durch verlorenen Sinn und nicht erlebte Wertschätzung. Alle funktionieren, man glaubt, diesem Anspruch genüge werden zu müssen, also muss man das auch.

Insbesondere Führungskräfte unterliegen diesem (Irr-)glauben. Emotionen wie Enttäuschungen, Kränkungen und Verletzungen werden als „emotionale Befindlichkeiten“ abgetan, für die eigentlich ja gar kein Raum ist in einer effizient durchgestalteten modernen Organisation.

Der Mensch als Funktionsträger und Leistungseinheit?
Emotionen als Hindernisse und Zeitverschwendung?
Der homo oeconomicus kennt keine Emotionen, er agiert ausschließlich aus der Rationalität heraus. So wird der echte Mensch dann eher vom Hauptdarsteller zum Störfaktor, Erfolg hat schließlich einen Preis.

Doch wieso muss diesen immer der Mensch zahlen?
Diese Frage habe ich mir schon sehr oft gestellt. Erfolg OHNE Menschlichkeit ist deutlich weniger wert. Das ist ökonomisch ermittelbar, nicht nur eine romantische Sozialphantasie.
Erfolg ist nicht nur monetär messbar, Ökonomie eine Sozialwissenschaft und keine Mathematik, selbst wenn mathematische Darstellungsformen verwendet werden Menschen stehen heutzutage im Spannungsfeld einer scheinbaren Allmacht und sofortigen Erfüllung aller erdenkbaren Bedürfnisse und grenzenloser Konsummöglichkeiten sowie einer empfundenen Ohnmacht, nicht wichtig und ernst, oft nicht einmal wahrgenommen zu werden.
Und dies, obwohl in unzähligen Leitbildern zu lesen ist „Der Mensch steht im Mittelpunkt“.
Allerdings folgen viele Organisationen Strategien und Annahmen, die den Menschen überhaupt nicht berücksichtigen und integrieren. Gern äußern sich Top-Manager bei Amtsantritt zu ihren Zielen. Und meist ist zu hören, dass sie unter Erfolg verstehen, wenn der Aktienwert steigt. Hierarchisch organisierte Organisationsstrukturen und ihre expliziten und impliziten Annahmen wie Systeme funktionieren, sind zwar noch immer (häufig) zu finden, doch versagen diese zunehmend.

In meiner Begleitung von Veränderungsprozessen, ob Individuum oder Organisation, fällt zunehmend auf:
Wandel gestaltet sich schwer, Entwicklung und Wachstum ebenso, wenn grundsätzlich herrschende systemische und psychologisch wirksame Prinzipien tabuisiert und nicht beachtet werden, wenn Veränderungsstrategien sich in Prozess-Charts und Powerpoint-Folien erschöpfen und die Integration des Menschen dabei Nebenschauplatz wird. Zahlreiche Gespräche mit Führungskräften und Mitarbeitenden zeigen auf, dass Menschen und Systeme immer dann nach Bewahren des Bewährten streben, wenn eine Würdigung des Alten nicht stattfindet.

Viele Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus Beratung, Training, Wirtschaft, Wissenschaft und Hochschulwelt sowie mit Menschen, bei denen ich mich in den letzten Jahren fortgebildet habe, haben mir aufgezeigt, wo Glaubenssätze zu Irr-Glaubenssätzen wurden, dies gilt auch für ganze Wissenschaftsideologien und daraus abgeleitete Organisations- und Führungsprinzipien.
Gemeinsam einstehen für eine neue Kultur des Miteinander? Gern! Wer macht mit?

In diesem Sinne, verbindet euch, seid anderen ein Vorbild und wirkt ansteckend! Mein Motto: „Mit Kopf, Herz und Hand für mehr Wert!“

Die Autorin

Annette Blumenschein arbeitet als systemische Beraterin in Frankfurt.