Prinzipien echter Führung - Die Big 5 for Leadership

Über Führungsstile, -prinzipien und -methoden lässt sich reichlich diskutieren. Stile sind dabei Ausdruck von Persönlichkeit, Methoden das eigentliche Handwerkszeug.
Wozu die wichtig sind, erklärt sich aus den handlungsleitenden Prinzipien, die in Organisationen jedoch unterschiedlich intensiv gefragt, tabuisiert, gefördert, vernachlässigt oder gefordert sind.

Angefragt worden durch den Kollegen Bernd Geropp, der aktuell Beiträge zu den drei wichtigsten Führungsprinzipien sammelt, habe ich mich noch einmal an vergleichbare Fragen in Coachings und Trainings zurückerinnert.
Selten entstanden dabei eine grundsätzliche Matrix, sondern stets sehr individuelle, personen- und/oder kontextrelevante Antworten.
Es gibt zugleich einen roten Faden, der sich an 5 großen Fixpunkten entlangspinnen lässt.

Wenn nach Prinzipien gefragt ist, soll zur Klärung vorangestellt werden, welchen Anspruch diese großen Fünf denn haben sollen.
Ein Prinzip ist nach seiner lateinischen Herkunft etwas, das dem Anfang oder Ursprung entstammt, also ein Grundsatz oder Postulat, das an oberster Stelle steht. Verstanden werden sollen Führungsprinzipien damit als handlungsleitende Werte bzw. Haltungen.

Liebe

Was kann schon anderes darüber stehen?
Wie soll Erfolg gelingen, ohne Liebe - zu dem was man tut, wie man es tut, für wen man es tut, in welchem Umfeld man es tut, zum eigenen Wohl.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Mit dem letzten Teil ist nicht der Appell zum Narzismus oder puren Eigennutz gemeint. Sondern der Wunsch, sich selbst, auch mit all unseren Fehlern, Bedürfnissen, Macken, Antreibern und Glaubenssätzen anzunehmen. Und dies auch bei den anderen Bezugsgrößen des Führungstuns so zu halten: Kunden wie den Endkunden, Teamkollegen, Betriebsrat, das eigene Führungsteam oder Lieferanten und Netzwerkpartner sowie die grundsätzlichen Unternehmenswerte, den gemeinsamen Zielen usw.
Mit dem ersten Teil ist der Fokus nach außen gerichtet und genau in dieser Beiderseitigkeit, sich UND den anderen anzunehmen (ohne immer einverstanden zu sein), liegt die Kraft erfolgreichen und sinnvollen wirtschaftlichen Tuns.
Was soll ich lang darüber schreiben, wenn es erst kürzlich in einem Interview Götz Werner vortrefflich auf den Punkt gebracht hat:

„Wenn ich durch meine Arbeit die Lebensbedingungen meiner Kunden veredeln kann, bekommt die Sache einen Maßstab. Wenn ich den Kunden im Visier und das entsprechende Menschenverständnis, die Menschenliebe habe, kann nicht viel schiefgehen. Aber man darf die Frage nach Mittel und Zweck nie aus den Augen verlieren. Egal, was man macht, man macht es immer für Menschen. Wenn der Mensch also immer das Ziel ist - ohne Menschen gäbe es keine Wirtschaft - dann muss ich mich fragen: Ist der Mensch für mich nun Mittel oder Zweck? Ist er der Zweck, habe ich eine andere Situation als wenn er Mittel ist und das Geld der Zweck. Wenn aber das Geld für mich das Mittel ist, dann bleibt dem Geld gar nichts anderes übrig, als sich den Menschen zu suchen - als Zweck. Dann orientiert sich alles am Menschen.“

Vom Prinzip der Liebe lassen sich dann eigentlich alle weiteren Prinzipien fast schon ableiten, es steht somit hierarchisch noch darüber. Darin steckt zudem die Fähigkeit, im Schlechten auch die Übermäßigkeit eines guten Kerns zu sehen.
Liebe ist die stärkste Energie, die wir aufbringen können. Nicht zufällig beschreibt damit beispielsweise ein Bundesligaverein seine gesamte Philosophie, die nach innen wie außen strahlt. Ich erinnere mich noch gern an die berührende Rückmeldung eines Kunden der Andechser Molkerei, dass da eine besondere Zutat, nämlich Liebe, in den Produkten sei.
Für und mit Liebe gehen wir für uns und andere durch‘s Feuer und verliehen unserem Tun den Glanz des Besonderen.

Selbst-Bewusst-Sein

Ich bin, also führe ich.
Man kann nicht nicht führen.
Natürlich kann ich der Selbstreflexion ein Berufsleben lang aus dem Weg gehen. Persönlichkeit wirkt dennoch. Auf mich wie auch andere. Auf das eigene Tun und Unterlassen, auf die eigene Motivation und Emotion - und auf die der anderen. Sich mit seinen eigenen Glaubenssätzen und Antreibern, mit seinem Kommunikationsstil und emotionalen Bewertungs- und Entscheidungsmustern auseinanderzusetzen, hilft, sein Selbstbild und dessen äußere Wirkung abzugleichen. Zudem verschafft es die Chance, bewusster, zielgerichteter, effektiver zu entscheiden und zu agieren.
Die eigenen Erfolgshebel und Verführungspunkte zu kennen, verschafft die Chance, die eigenen zentralen Hebel bedienen zu können und sich vor Verführungen, automatischen Reibungsverlusten zu schützen. Ohne Bewusstsein für sich selbst, bin ich einfach nur. Damit wird immer Potential ungenutzt bleiben.

Systemisches Denken - Reziprozität

In Beziehungen zu denken statt in Prozessen oder Ursache-Wirkmodellen, nach Verantwortlichkeit aller statt nach dem Schuldigen zu forschen, berücksichtigt die Komplexität menschlicher Interaktion. Systemiker denken in Wirkkreisen.
Damit eruieren sie Hebelpunkte für Interventionen, sie stellen Hypothesen über Lösungen zweiter Ordnung an (Was ist hier eigentlich zu klären?), sie orientieren sich konsequent an Lösungen statt Problemen und sie arbeiten zuerst an Haltung und erst dann an Methode.
Führung ist die Arbeit an einer sozialen Architektur. Dies wird aus dem Führungsprinzip Liebe bereits klar. Soziale Architekten legen ihren fachlichen Fokus nicht mehr auf das Thema ihrer Fachausbildung, sondern auf die Fähigkeit, soziale Gebilde zu gestalten.

Ergebnisorientierung

Wirtschaften ohne Ergebnisorientierung wird zum Gutmenschentum. Dann bewegen wir uns im Non-Profit-Bereich. Aus der Kundenorientierung abgeleitet (Wem stifte ich einen Nutzen?) entwickeln sich Ergebnisziele, die dazu beitragen, dass nicht nur Kundenzufriedenheit entsteht, sondern das Unternehmen die Ressourcen dafür auch dauerhaft vorhalten kann.
Aus Ergebniszielen lassen sich dementsprechend Rollenerwartungen für alle Führungsebenen ableiten. Dabei sollte die Balance zwischen Menschen- und Ergebnisorientierung maßgeblich berücksichtigt sein.

Wachstum

Die eigene Komfortzone zu verlassen, über den eigenen Schatten zuspringen, das eigene Selbst-Bewusst-Sein stetig zu hinterfragen, wissbegierig zu sein - all das fördert Wachstum. Zielrichtung des Wachstums sollte nicht ständig höher oder weiter, sondern tiefer und besser sein.
Wachstum hat Nebenwirkungen, bringt mitunter Schmerzen und erfordert v. a. Mut.
Mut hat viele Dimensionen. Mutig zu entscheiden oder zu handeln, wenn das Tun auf der Basis weniger Informationen erfolgt. Darauf verzichten, sich ganz sicher zu sein und dennoch eine Richtung einzuschlagen. Vertrauen in sich selbst zu setzen (und damit das Prinzip Liebe zu nähren) oder eine optimistische Grundhaltung einzunehmen, erfordert Mut. Zugleich zeigt er sich im Loslassen, sich von geliebten Aufgaben zu lösen, in andere zu vertrauen, Themen oder Routinen aufzugeben.
Mut steckt zugleich in Demut (es gibt noch etwas Größeres, Höheres) und Großmut. Neben Aufrichtigkeit zwei weitere zentrale Zutaten für das Prinzip Liebe.
Nachhaltiges Wachstum jenseits der reinen Ergebnisziele fördern zu wollen, ist eine der mutigsten und anspruchsvollsten Herausforderungen, denen sich Führungskräfte stellen können.

Dabei gilt: Achtung vor übermäßiger Psychologisierung!
Es bleibt ein Spannungsfeld jeder Führungskraft, in ihrem Kontext eine angemessene Balance zwischen fach-, ergebnis-, prozess-, menschen- oder strategiebezogenem Handeln zu definieren. Im Kern bleibt zugleich Prinzip 1: Liebe dein Tun und tu, was du liebst.