Die wichtigste Frage vor der Beförderung zur Führungskraft

Es ist eine klassische Situation: eine Führungsstelle wird frei und die beste Fachkraft des Teams bewirbt sich um die Nachfolge. Oder wird völlig selbstverständlich als Nachfolger gehandelt.
Vor diesem Schritt sollte genauer hingeschaut werden.

Führung wird in den allerwenigsten Berufen in der Ausbildung wirklich gelehrt.
Das Lernen findet also durch Abschauen in der Praxis bei den erlebten Vorbildern und in dem ein oder anderen Führungskräftetraining statt. Und so hat dann manch einer für seine Fachtätigkeit 3 Jahre und oft viel mehr intensiv Kompetenz aufgebaut und meint dann, Menschen ließen sich mit dem Wissen aus 1-10 Trainingstagen und zwei schlauen Ratgebern führen.

Wie selbstverständlich werden noch immer die besten Fachkräfte in Teams befördert.
Sie seien einfach dran oder man müsse ihnen was bieten, so die gängige Begründung.
Und mit der schafft man sich dann sehenden Auges zwei Probleme: die beste Fachkraft fehlt und schlechte Führung zieht ein. Ersteres kompensieren gute Fachleute dann gerne mit einem Magneten für wichtige Aufgaben an ihrem Schreibtisch. Das entmündigt diejenigen, die geführt werden sollen und sorgt für ein zunehmendes Führungsvakuum.

„Ich habe mich doch einmal bewusst für mein Ingenieurstudium entschieden.“ Das höre ich öfter in Runden mit Führungskräften, wenn ihnen deutlich wird, welche Komplexität und welcher Anspruch ihnen in der Arbeit mit Menschen gegenübersteht. Typischerweise lauten ihre Fragen auch regelmäßig, wie sie dies oder das bei anderen Menschen in Gang setzen oder beenden könnten.
Viel zu selten fragen sie sich, was sie selbst dazu beitragen.
Die Haltung des Bundesligatrainers Christian Streich könnte da Vorbild sein:

Spannend vor einer Beförderung zur Führungskraft wäre ein echter Dialog über die Frage „Wozu will und soll derjenige diese Rolle übernehmen?“

Wer diese wichtige Frage ausblendet oder nur oberflächlich beantwortet, darf sich nicht über Probleme 2. Ordnung wundern, die in dem Leitsatz münden: Menschen kommen wegen des Unternehmens und sie gehen wegen der erlebten Führung.
 Dient die Beförderung bei ehrlicher Betrachtung in erster Linie einem der folgenden Zwecke, sollte die Entscheidung noch einmal überprüft werden:

  • Der Antrieb ist Ehrgeiz, der Wille, etwas zu werden, Karriere zu machen.
  • Für Leistungen der Vergangenheit muss eine Belohnung erfolgen.
  • Für ausgebliebene Wertschätzung/Anerkennung braucht es einen Ausgleich.
  • Der Glaubenssatz, dass derjenige mit der besten Leistung oder der längsten Erfahrung, dran ist, muss bedient werden.
  • Ohne Beförderung verlässt die Fachkraft das Unternehmen.
  • Im Zuge der Selbstoptimierung soll Menschenführung die nächste zu meisternde Herausforderung sein, für die es ja Methoden gibt, die man perfektionieren kann.
  • Mit einem leistungsstarken Vorbild holen wir noch mehr Performance aus dem Team.

Die Wozu-Frage zu stellen, eröffnet tiefere Klärung. 
 Als Unternehmen muss ich mir einen Kandidaten genauer anschauen.

  • Was kann er wirklich?
  • Welche Potentiale entfaltet er hervorragend, welche schlummern noch?
  • An welcher Stelle bringt er dem Ganzen damit den größten Nutzen?

  • Und mit Blick auf die Führungsrolle: Wie gut passt das?
  • Stärken wir wirklich seine Stärken oder wollen wir in weniger ausgebauten Kompetenzen seine Entwicklung in Richtung Mittelmäßigkeit fördern?
  • Welche Räume zur persönlichen Entwicklung bieten wir und wie unterstützt der Vorgesetzte?
  • 
Und wenn die Passung fehlt: Welche Alternativen haben wir?
  • Wie gut haben wir Fachexpertenpositionen etabliert?
  • Wie kann anders Verantwortung für das Ganze übernommen werden?


Als Beförderungskandidat kann ich mich selbst kritisch hinterfragen.

  • Wie viel Lust auf Beziehungsarbeit, Teamentwicklung, Dialog und Verstehen wirklich?
  • Wie sehr interessieren mich Menschen mit all ihren Emotionen, Ängsten und Bedürfnissen?
  • Welchen Sinn vermittle ich für das Erreichen von Zielen?
  • Wie viel Lust habe ich, meine Sozialkompetenz zu entwickeln?

Letzteres geht erfahrungsgemäß nicht in einem Tagestraining oder in der Buchlektüre. Es ist ein lebenslanger Weg, für den mir die Disziplinen der Lernenden Organisation den Rahmen geben.
Fertig sind Führungspersönlichkeiten damit nie, es ist anstrengend, bedeutet Vorbild in Veränderung und den Umgang damit zu sein und sich auf das Spannungsfeld Mensch und Ökonomie einzulassen.
Das wäre Leadership.
Lediglich Prozesse, Strukturen und Menschen (wie Objekte) zu steuern, ist Management. Das lässt sich methodisch lernen, Leadership braucht vor dem Können ein Wollen, einen wertschöpfenden Sinn und gute Wachstumsräume für den Entwicklungsweg.

Als ein Beispiel dafür mag übrigens unser Format Führungswerkstatt dienen.